Schenk-Gesellschaft – ein alter neuer Blickwinkel
In zunehmendem Krisendrama mit Zukunfts- und Krankheitsängsten drehen WirZeit-Projekte die Sache um. In einer Welt wachsender Mangelgefühle und Zeitnot machen Menschen Geschenke. Und sie schenken, ja genau, Zeit. Sie unternehmen dabei gemeinsam etwas. Sie wechseln die Seiten, in einer Art, die nicht spaltet, sondern verbindet.
Einander Zeit zu schenken, das durchbricht das Bewerten und Bemessen, das alltägliche Kosten-Nutzen-Allerlei. Und wenn man den Blick auf das Schenken lenkt, bemerkt man, dass es ja schon überall was davon gibt. Ja, es gibt sogar viel mehr Geschenktes als Gekauftes oder Erarbeitetes.
Jeder Mensch und auch jede im Geschäftsleben oder sonst wo erfolgreiche Person, hat in der Kindheit und Jugendzeit fast alles geschenkt bekommen. Und im privaten Leben, in Familie und Freundeskreis geht das zu einem mehr oder weniger großen Teil später so weiter.
Das Geschäftsleben, die so genannte „Wirtschaft“, die mit ihrem immer enger getakteten Lern- und Arbeitsdruck heute so überaus beherrschend auftritt, ist in Wirklichkeit ohne das viele Schenken in diesem privaten Bereich gar nicht möglich.
Ebenso wenig funktioniert die Gesellschaft ohne die vielen unbezahlten gemeinnützigen Taten, die viele Menschen im alltäglichen bürgerschaftlichen Zusammenleben erbringen - in Vereinen, Hilfsorganisationen, Glaubensgemeinschaften, Feuerwehr und anderen Selbsthilfe- und Kulturinitiativen . All dieses bürgerschaftliche Gestalten, Helfen, Feiern und Erfinden bezeichnen wir als 'Zivilgesellschaft', im Unterschied zu Wirtschaft und Politik. 'Zivil' heißt 'bürgerschaftlich'.
Zu dieser Welt des bürgerschaftlichen Schenkens gehören auch die vielen spontan und ganz selbstverständlich geschenkten Taten in Nachbarschaft, Bekanntenkreis und in den hunderten von unterschiedlichen Jugend- und Erwachsenenkulturen. Also dort, wo der größte gemeinsame Erfindungsreichtum steckt. Selbst in der Arbeitswelt würde bei Dienst nach Vorschrift – ohne ein persönliches Plus an gutem Willen, Einfallsreichtum und extra Einsatz – nicht viel klappen.
Und schließlich ist all dies gut eingebettet in eine noch viel größere Welt, die einfach da ist – geschenkt. Angefangen mit unserem eigenen Körper, dessen Organe jeden Tag, jede Sekunde, einfach so für uns funktionieren, bis hin zu unserer äußeren Natur, der Erde, Universum und so weiter. Auch alles das, was in der Welt der Arbeit verarbeitet wird, all die Stoffe, Materialien, Bodenschätze, schenkt uns ja die Natur
Das Schenken und beschenken Lassen ist also nicht nur ein angenehmes Nebenbei auf Geburtstagen. Im Gegenteil, es ist die Wurzel von allem. Es ist überall und es ist dauerhaft.
Selbst in unserer von ständigem Berechnen, Vergleichen und Bekämpfen so erhitzten Zivilisation, gibt es immer das Wurzelgeflecht des Schenkens, das Kühlung und neues Leben verspricht – wenn man es nährt. Eben so, wie heute die alten Wurzelgeflechte in der Saharawüste zu neuen Wäldern kultiviert werden. Es sind die vielen persönlichen Geschichten, die die überall wirkende Kraft des Schenkens wieder bewusst machen, wenn sie herauskommen auf eine gemeinsame WirZeit-Plattform. Wovon wir sonst eigentlich nicht viel Aufhebens machen, das ist heute eine willkommene Nachricht.
Viele vielversprechende gesellschaftliche Ideen und Bewegungen verlieren ihren anfänglichen Schwung, wenn sie in den Niederungen des alltäglichen Lebens bestehen sollen – WirZeit-Projekte fangen dort an. Sie stärken diese persönliche alltägliche Ebene. Das tun andere Schenkinitiativen auch. Möge die WirZeit-Plattform für alle von Nutzen sein.
Einander Zeit zu schenken ist das, was die bürgerschaftliche Seite der Gesellschaft ausmacht – die Zivilgesellschaft. Sie ist wichtig für die Balance in der Gesellschaft insgesamt. Wird im bürgerschaftlichen Zusammenleben das Schenken in der Gesellschaft immer höher gehalten, dann wird in der Politik produktiver gestritten und in Wirtschaft und Erwerbsleben lebensnäher gerechnet.
Wenn Du mehr zum Thema 'Schenken - Wirtschaft - Gesellschaft' erfahren möchtest, findest Du hier einen guten Einblick und Überblick:
(Das meiste davon ist in ziemlich einfacher Sprache. Am besten liest oder hört man es zusammen - als WirZeit-Projekt zum Beispiel. Jemand der schwierige Wörter einfach machen kann, findet sich bestimmt.)
1. 'Geld oder Leben - Was uns wirklich glücklich macht' von Veronika Bennholdt-Thomsen (ein kleines Büchlein für die Jackentasche mit 80 Seiten im Postkartenformat)
2. Zeitschrift oya, Ausgabe 03, Juli/August 2010 - das meiste kannst Du hier auch online lesen
3. Zum Hören: 'Der Mensch in Zeiten der Katastrophe' - https://www.deutschlandfunk.de/altruismus-der-mensch-in-zeiten-der-katastrophe-100.html